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Wo sich Berge und Meer berühren

    Wer sich raus aus dem Liegestuhl traut, entdeckt die wahre Schönheit der Palmenriviera im Nordwesten Italiens, wo sich die ligurische Alpen bis direkt ans Meer erstrecken. Inmitten einer grünen Landschaft entdeckt man Orte, in denen Geschichte wieder lebendig wird.

    “Hier verlief einst die Grenze zwischen der Markgrafschaft von Finale und der Republik von Noli“, erklärt mir Lorenzo, während wir den gut ausgebauten steilen Weg hinauf wandern. Von fast allen Stellen aus genießt man einen spektakulären Meerblick „Hier standen sich also im Mittelalter das feudale System und die von Kaufleuten geführte Regierungsform der Republik gegenüber.“ Lorenzo und ich verweilen eine Weile, um Fotos zu machen, während der Rest unserer Gruppe schon vorgeht. Die Luft riecht nach Kräutern, wir pflücken wilden Thymian und Bohnenkraut.
    Wir befinden uns in den Bergen oberhalb von Finale Ligure, südwestlich von Genua.

    In der kleinen Stadt, die aus den Ortschaften Finalborgo, Finalmarina und Finalpia besteht, verbringt unsere vierköpfige Familie den Urlaub. Nach einigen Tagen Pflichtprogramm mit Strand und Genuabesuch haben wir uns mit den anderen deutschen Hotelgästen inklusive der Kinderschar hinauf in die Berge auf Familienwanderung begeben. Aufgebrochen sind wir unter den prächtigen Palmen, wofür dieser Küstenabschnitt, die Palmenriviera, bekannt ist. Nun befinden wir uns auf einem spröden Felsenplateau genannt Le Manie.

    Lorenzo Carlini, unserer Gastgeber und Begleiter kennt sich in diesen Bergen wie kaum ein anderer aus. Zwischen Wäldern und terrassenförmigen Weinhängen, Oliven- und Obstfeldern hat er für die Familienwanderung Wege ausgesucht, die für alle gut zugänglich sind. Für Kleinkinder stehen Kraxen bereit. Seine Liebe für die Geschichte von Finale lässt Lorenzo den Gast spüren. „Das Wort Finale bedeutet eigentlich Grenze,“ führt er fort. „Hier standen sich im XII Jahrhundert zwei politische und gesellschaftliche Modelle direkt gegenüber: Adel und aufstrebendes Bürgertum.“ Eigentlich ging es konkret um die Herrschaft über den Hafen von Varigotti, erklärt er mir weiter.

    Ein Blick hinunter

    Wir haben inzwischen einen weit aufs Meer hinausragenden Felsenvorsprung erreicht. Das Wetter ist diesig, schlecht für die Fotos, eigentlich. Insgeheim bin ich darüber eher froh: Die Farbkontraste zwischen den grünen Bergen, den Blumenwiesen auf dem Felsplateau und diesen allgegenwärtigen Meer erscheinen sogar im Dunstschleier gewaltig. Die wilde Schönheit dieses Panoramas würde bei Sonnenschein, empfinde ich, fast wehtun.  Die Wanderung hat mich mit Eindrücken gesättigt: schon gut so.

    Von hier aus kann man tatsächlich hinunter auf den Strand von Varigotti blicken. Das Fischerdorf ist im sarazenischen Stil gebaut, mit wenigen flachen Häusern in Pastellfarben, die idyllisch verschlafen vor einem breiten Sandstrand ruhen. Steile Hügel ragen direkt 200 Meter hinter dem Strand in die Höhe.
    Schwer zu glauben, dass dieser kleine Hafen einst so strategisch wichtig war, dass dessen Besitz jahrzehntelange blutige Auseinandersetzungen verursachte.

    Leckereien für Groß und Klein

    Wir erreichen inzwischen den Rest der Wandergruppe. Fröhliches Kindergelächter kommt einem entgegen. Dass Kinder sich derart für schöne Ausblicke interessieren ist mir neu. Oder spielen sie einfach nur mit den Schottersteinchen?

    Wir lassen die Küste hinter uns und folgen dem Weg in den schattigen Mischwald. Hier kann man sehen, dass auch im Wald die steilen Hänge teilweise terrassenförmig sind, weil auch diese einst für die Landwirtschaft genutzt wurden. Angebaut wurden hier früher Kichererbsen. Hülsenfrüchte haben in Italien eine lange kulinarische Tradition, sie waren die Eiweißspender des Volkes. Von der Slowfood-Bewegung wiederentdeckt, erlebt zum Beispiel die typische Kichererbsen-Farinata ein echtes kulinarisches Comeback.

    Am Ende kehren wir in eine kleine Trattoria ein, das Restaurant Ferrin, beim Camping Terre Rosse. Wir nehmen Platz unter einer wunderschönen Fliederlaube mitten im Grünen. Auf kleine und größere hungrige Mäuler warten jede Menge leckere Spezialitäten: eingelegte Fische, panierte Zucchini, gebackene Auberginen und Carpaccio. Es wird angeboten, für die Kinder noch Pommes zu servieren. Keiner meldet sich: Frittierte Zucchiniblüten scheinen allen besser zu schmecken.

    Ein stürmischer Tag

    Am Tag darauf ist es stürmisch. Uns wird empfohlen, auf der Bundesstrasse Aurelia spazieren zu gehen, um die Brandung an der felsigen Küste zu beobachten. Was anfangs etwas eigentümlich klingt, erweist sich als guter Tipp. Die altehrwürdige Straße aus römischen Zeiten, die direkt am Meer verläuft, ist nämlich zur Zeit teilweise für den Autoverkehr gesperrt. Nach einem Cappuccino und Brioche in Finalmarina in der Bar Pasticceria La Palma, erreichen wir die stillgelegte Straße, die sich direkt unterhalb des Plateaus vom Vortag entlang schlängelt. Die Luft ist salzig, der Wind warm, die Brandung spektakulär. An manchen Stellen bildet sich regelrecht ein Windkanal. Es ist schwer, stehen zu bleiben. Buchstäblich vom Winde verweht, können wir unsere eigenen Worte kaum hören. Das Naturschauspiel überwältigt die ganze Familie. Danach fühle ich mich innerlich außerordentlich ruhig, erholt und regeneriert, als ob der Sturm mir die Teufel des Alltags ausgetrieben hätte.

    Nach dem Spaziergang gehen wir durch die Gassen der Altstadt Finales, Finalborgo, um ein Eis zu essen. Die typische Gelateria Bar Centrale auf der Piazza Garibaldi lässt keine Wünsche offen und arbeitet nach traditionellen Rezepten. Geschützt durch die alten Gemäuer spürt man den Wind hier kaum.

    In den Gassen von Finalborgo

    Am Ortseingang bleiben wir vor einem seltsamen Strauch stehen, der direkt aus einer Hauswand wächst. Er hat zarte, weiß-violette Blüten. „Es sind Kapern“, erklärt die betagte Hausbesitzerin freundlich, die neugierig wegen den deutsch-italienischen Sprachbrocken meiner Kinder auf die Türschwelle gekommen ist. Kleine Kapern hängen noch an der Pflanze. Ich erkundige mich, ob man sie einfach pflücken und essen kann. „Einfach so schmecken sie nicht, Signora. Man muss sie zubereiten.“ erklärt die nonna. Zu viel Arbeit, sie kauft mittlerweile lieber welche im Feinkost nebenan. Den Kapernstrauch hält sie noch der Schönheit der Blüten wegen. „Diese Blüten haben sich heute morgen erst geöffnet. In einer Stunde werden sie wieder verblüht sein: So vergänglich wie das Glück im Leben.“ Die alte Dame zieht sich ins Haus zurück; es ist fast Mittag.
    Wir ziehen weiter durch die Gassen, vorbei an kleinen hübschen Boutiquen mit originellen Modeartikeln sowie an herrlich duftenden Feinkostläden, wie das  Sambarino, in der man sich Brötchen, „panini“, mit allen möglichen Wurstwaren, Käsesorten und Aufstriche nach Wunsch frisch belegen lassen kann.

    Ausgezeichnet als einer der schönsten mittelalterlichen Städte Italiens, hat Finalborgo ein noch sehr originelles Flair und ist keineswegs von Touristen überlaufen. Betrieb herrscht in den Gassen trotzdem, denn am Wochenende sind Kommunalwahlen.

    Kandidat, Unternehmer und Idealist

    Plötzlich lächelt uns auf einem Wahlplakat Lorenzo an. Zurück im Hotel befragen wir ihn zu seiner Kandidatur. Er und seine Bürgerliste wollen Finale nicht nur als Badeort sondern auch als Reiseziel für aktive Familien mit Ökobewusstsein etablieren. Moutainbike fahren, wandern und klettern kann man hier dank Natur und Infrastruktur hervorragend. „Mit oder ohne politische Ämter können wir mit dem Verband Happy Family Hotels konkrete Projekte durchführen, wie zum Beispiel unsere Steinzeitwochen. Kinder mit ihren Familien können in einer in der Steinzeit benutzten Grotte übernachten, Brot nach Steinzeitrezept backen und auf eine (gestellte) Wildschweinjagd mit damaligen Methoden gehen.“ Wissenschaftlich begleitet und spielerisch angelegt vermittelt das Projekt den Kindern Wissen und Erfahrung über das Leben unserer Vorfahren. Lorenzo ist immer gut für Geschichte und Geschichten.

    Infos aus der Region:

    Anreise

    • Mit dem Auto: Autobahn A10, Ausfahrt Finale Ligure. Von München ca. 740 km, von Stuttgart ca. 710 km.
    • Mit dem Zug: Bahnhof Finale Ligure, von überregionalen Zügen gut bedient.
    • Mit dem Flugzeug: Flughafen Genua, ca. 48 km; Flughafen Nizza, ca. 130 km.

    Gute Adressen

    • Schönes Strandbad mit deutschem Familienprogramm: “Bagni Ondina” www.bagniondina.com;
    • Trattoria: Restaurant Ferrin, beim Camping Terre Rosse, Località Mànie 40/40bis, 17024 Finale Ligure (SV), http://www.terrerossecamping.it
    • Feinkost: Sambarino Alimentari, Via dell’Annunziata 19 in Finalborgo.
    • Bestes Eiscafe: Bar Centrale in Finalborgo, Via Torcelli, 28.
    • Bester Cappuccino und Patisserie: Bar Pasticceria La Palma in Finalmarina, Via Anton Giulio Barrili 19.
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