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Miguel, Mogel, Miguela

    Ein Jugendbuch von Nils Mohl zum Thema Geschlechteridentität: „Flo schnaubt. Er beschließt:“Bis Mitternacht bleibst du Miguela! Ihr Pussys, wir ziehen ins ChackaBum!“

    Miguela ist eigentlich Miguel. An diesem Abend aber ist er Miguela und er bekommt auch noch einen zweiten Spitznamen: Mogel. Als seine drei Freunde entdecken, dass in der Zapfanlage im Partykeller seiner Eltern nur alkoholfreies Bier ist. Da ist durch einen Versprecher von Flo aus Miguel Mogel geworden. Passt ja auch bei dem Mogel-Bier. Das ist dann auch der Anlass für das, was sich für Miguel zunächst wie der Supergau anfühlt: Als Strafe für das alkoholfreie Bier muss Miguel den Abend bis Mitternacht als Miguela verbringen. Mit 15 eine ziemlich fiese Strafe. Es scheint zunächst auch am Outfit zu scheitern – wie ein Mädchen auszusehen, ist gar nicht so einfach. Nachdem aber Kitty, Sylvesters Schwester und ihre Freundin Domino Hand angelegt haben, steht einem Diskobesuch von Miguela nichts mehr im Wege.

    Das neue Buch des 1971 geborenen Hamburger Autors Nils Mohl platzt mit dem 16. Kapitel mitten in die Geschichte. Nach drei Kapiteln geht es dann doch bei 1 los. Typisch Nils Mohl werden diejenigen denken, die Indianerland und / oder die Stadtrandritter kennen. Strenge Chronologie ist nicht so seine Sache, umso erstaunlicher, dass er dann doch dabei bleibt. Auch sonst hebt sich das Buch von seinen Vorgängern ab. Es ist deutlich dünner und wie gesagt mehr oder weniger chronologisch erzählt. Es ist ein ganz eigenständiger Roman, und doch freut man sich über alte Bekannte. Sylvester und auch Domino und Kitty kennt man aus den Stadtrandrittern. Das Milieu des Romans ist das gleiche, die Hochhaussiedlung und das angrenzende Gebiet der Reihenhäuser. Mogel ist aber keine Weiterführung der Stadtrandritter, darauf müssen wir weiterhin warten. Es spielt vor den Geschehnissen der Stadtrandritter und manches deutet sich hier bereits an. Kitty, Sylvesters Schwester lebt noch, rasiert Miguel die Beine und schmiedet Zukunftspläne, nichtsahnend von ihrem Schlaganfall, der sie das Leben kosten wird.

    Die vier Freunde, Sylvester, FloDaHo, Dimi und Miguel treffen sich bei Miguel, der vor kurzem aus der Hochaussiedlung mit seinen Eltern in ein Reihenhaus gezogen ist, daher auch der Partykeller. Nachdem Miguela nun zurechtgemacht ist, geht es nach draußen. Die erste Probe soll das Bier holen an der Tanke sein. „Der notgeile Spaten hinterm Tresen schielt mir auf den Hintern. Dreist und unverhohlen. Ich übertreibe nicht.“ Die Maskerade ist nahezu perfekt. Dann betritt Candy, der Traum aller Jungs mit ihrem fast-Exfreund Hengst, die Tanke. Miguel geht als Miguela durch und Hengst kauft sogar das Bier für „sie“ – seinen eigenen Ausweis kann Miguel ja schlecht herausholen.

    Auf dem Weg ins ChackBum hat Miguel dann einen ziemlichen Kloß im Hals. Aber der Abend läuft gut für ihn, bzw. sie. Miguel freundet sich mit Candy an, sieht das erste Mal in seinem Leben ein Mädchenklo von innen und erfährt, dass Candy von Hengst ziemlich fies erpresst wird. Natürlich will er helfen. Hengst lockt die beiden Mädchen Candy und Miguela mit in seine Gartenlaube, wo es dann ziemlich brenzlig wird. Aber Dimi, FloDaHo und Sylvester finden sie rechtzeitig.

    Das Buch ist toll geschrieben, es bleibt der Jugendsprache durchgehend treu, ohne aufgesetzt oder albern zu wirken. Die vier Jungs mit ihren Eigenheiten kommen ganz normal daher, obwohl man bei einer echten Begegnung wahrscheinlich zögerlich wäre, ob man diese Burschen aus der Nähe kennenlernen wollte.

    Nils Mohl schafft es mit diesem Roman, sich der viel diskutierten Geschlechterfrage auf humorvolle Weise zu nähern. Miguel findet durch seinen Perspektivwechsel so manches Klischee bestätigt: Manche Mädchen geben ihren Brüsten tatsächlich Namen. Er findet aber viel überraschend Positives und wünscht sich auch als Junge so mit Candy reden zu können, wie Miguela es tut. Denn eine andere Person ist er ja eigentlich nicht, auch nicht mit Netzstrumpfhose und Zöpfchen. Und auch Candy findet am Ende: „Schade, dass Du kein Kerl bist.“

    Kurz: ein sehr lesenswertes Buch für Leser und Leserinnen ab 14 und weit darüber hinaus.

    Mogel, Nils Mohl, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2014, ISBN 978-3-499-21537-7, (9,99 Euro).

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