Zum Inhalt springen

Mrs. Perfect

    Man hat es schon nicht leicht als Mutter. Im früheren, kinderlosen und berufstätigen Leben hatte es völlig ausgereicht,  sich mittelmäßig motiviert und mitarbeitend am Arbeitsplatz zu präsentieren, privat alle Jubeljahre eine einfache Party mit Nudelsalat und Prosecco zu schmeißen und sich einzurichten wie die anderen gleichaltrigen Menschen auch: Eine bunte Mischung aus schwedischem Einrichtungshaus und Studentenbude.

    Als Mutter braucht es Spitzenleistungen auf allen Gebieten

    Aus und vorbei, für alle Zeiten. Als Mutter reicht dieses langweilige Mittelmaß nicht aus, es verlangt nach Spitzenleistungen auf allen Gebieten. In der Arbeit ist man seit den Kindern und der Teilzeit ständig auf der Flucht. Es wird auf eine ausgedehnte Mittagspause verzichtet, die sich die anderen Kollegen selbstverständlich gönnen, um das straffe Pensum irgendwie in sechs Stunden zu bewältigen. In der Kantine findet man nie Teilzeitmütter, wohl aber eine belegte Semmel kauend den Telefonhörer unter das Kinn geklemmt, die Tastatur vollbröselnd vor dem PC.  Schnell wird noch dies und das im Schweinsgalopp erledigt, bevor die Teilzeitarbeitszeit vorbei ist und der Kindergarten ruft.

    Partys sind dafür nun generalstabsmäßig geplante Events, perfekt durchgestylt,  immer mit Motto und die anspruchsvolle kleine, mengenmäßig große Gästeschar isst alles, nur keinen Nudelsalat. Zur Belustigung reicht auch nicht mehr, die Gäste sich selbst und dem Alkohol  zu überlassen,  es müssen stadtteilübergreifende Schatzsuchen, Auftritte eines Kleinkunstzauberers oder mindestens eine Hüpfburg in der Größe eines Einfamilienhauses sein.

    Das Catering umfasst zwei komplette Mahlzeiten,  einmal süß und fettig und zur späteren Stunde die Variante salzig und fettig. Alkohol gibt es nur am Schluss der Veranstaltung, die abholenden, seit Stunden kinderfreien und entspannten Mitmütter trinken gerne einen kleinen Prosecco, der Gastgeberin nebst Gatten steht der Sinn seit Stunden nach Schnaps.

    In der Wohnung liegt, logisch, viel Kinderspielzeug herum,  aber auch ein schleichender Prozess hat unbemerkt stattgefunden, das vermehrte Auftreten von Dingen, die die Welt nicht braucht aber unglaublich hübsch, niedlich oder stylisch sind. Es sind diese rot –weiß getupften Schneidebrettchen, die plötzlich niedliche pink-grüne Gießkanne auf dem Balkon, die rosa- braun karierten reizend-ironischen Rehkitze auf den Sofakissen und schließlich der Kleidungsstil von Tochter und Gattin, der in Lindgrens Krachmacherstraße auch nicht fehl am Platze wäre.

    Schaulaufen auf dem Kinderspielplatz

    Das publikumswirksame Schaulaufen in allen Kategorien des Wettbewerbs „Mutter von Format“, angefangen vom niedlich angezogenen Kleinkind, schickstem exklusiven Kinderwagen mit Edelholzbügel und teurem Eulensonnensegel,  der stylisch- lässigen Mutter, möglichst in Größe 36, trotz dreier nachweislich ihr zugehöriger Minis, findet schließlich auf dem angesagten Kinderspielplatz des Viertels statt. Ansonsten kann die Mama auf Facebook zeigen, was sie so kann oder natürlich im eigenen Blog. Kleckern war gestern, in der Zeit vor dem Kind, jetzt wird geklotzt, man hat ja sonst nichts zu tun.

    Dagmar Martin

    Schlagwörter:

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert