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Boyhood – Kindheit und Eltern-Sein in Echtzeit

    Boyhood, ein neuer Film des Regisseurs Richard Linklater, dessen Machart erst einmal einzigartig ist: Der Film wurde im Laufe von zwölf Jahren gedreht, immer ein paar Tage im Jahr.

    Boyhood zeigt als fiktive Geschichte das Aufwachsen von Mason gemeinsam mit seiner Schwester als Kinder einer alleinerziehenden Mutter, die mit wechselnden Ehemännern ihr Glück sucht. Die Geschichte ist fiktiv, die Darsteller wurden real „groß“, und auch die Darsteller der Eltern alterten. Der Darsteller von Mason war zu Beginn der Dreharbeiten sechs Jahre alt.

    Vieles scheint in der Geschichte ziemlich normal, vielleicht etwas verstärkt durch die vielen Umzüge der Familie und nun ja, glücklicherweise spielen alkoholisierte Stiefväter nicht in jeder Familiengeschichte eine Rolle. Trotzdem, unrealistisch sind auch diese Konstellationen nicht. Warum also soll man sich diesen Film als Eltern anschauen, das kennt man ja alles? Noch dazu hat der Film Überlänge – es dauert eben ein bisschen, bis man die Kleinen großgezogen hat…

    Eine Faszination der Geschichte ist das Verweben von Realität und Fiktion: Die Gesichtszüge der Kinder reifen, aktuelles Zeitgeschehen aus den USA wird integriert – das Aufstellen von Obama-Plakaten oder die Kriegsmüdigkeit der Amerikaner in Bezug auf den Irak.

    Und wann kann man als Eltern anderen Eltern schon so nah beim „Alltag“ zusehen? Sehen, wie der biologische Vater der Kinder wortreich einfordert, dass die Kinder von sich erzählen sollen, selbst aber Fragen nach dem eigenen Leben abwehrt? Wie die Erwachsenen komplett mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind, die Probleme ihrer Kinder dadurch kaum wahrnehmen? Wie jeder der Eltern, Stiefeltern, assoziierten Großeltern seine Lebensweise, Ideale, Hobbys versucht, den Kindern aufzudrücken – oft, ohne vorher zu fragen, ob diese das auch so wollen. In diesem Wust die eigene Identität finden – dass das für Kinder nicht leicht ist, wird ziemlich klar.

    Beim Zuschauen fragt man sich unwillkürlich: Bin ich auch so? Machen wir das bei uns zu Hause auch so oder ähnlich?

    Ja, der Film regt zur Selbstreflexion an – auch wenn natürlich die eigene Familie immer noch ganz anders ist, als diese „Filmfamilie“. Trotzdem ist es ganz heilsam, wenn man sich ein paar Stunden Zeit nimmt, um auch über diese Dinge einmal nachzudenken – bevor der eigene Familienalltag wieder Fahrt aufnimmt. Ja, es lohnt sich, Boyhood zu sehen – der eigentlich sowieso eher Parenthood heißen sollte…

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