Zum Inhalt springen

Mama, Mama, Kind – über den Alltag, kein normales Familienmodell zu leben

    Sie haben Kinder, leben als Familie mit ihnen zusammen und sorgen für sie. Aber ihr Familienmodell ist nicht das gewohnte „Vater, Mutter, Kinder“. Ist es eigentlich wirklich so einfach, heutzutage Familie anders zu leben? Wir haben mal gefragt.

    „Ich finde uns spießig hoch drei“ sagt Alexandra* aus Hamburg. Die 43-jährige Rechtsanwältin lebt gemeinsam mit ihrer eingetragenen Lebenspartnerin und ihren beiden Anderthalbjährigen Zwillingsmädchen, die sie mit Hilfe eines Samenspenders bekommen hat. Und natürlich ist der Alltag der ungewöhnlichen Familie mehr als gewöhnlich: Essen, Schlafen, Spielen, Kita… In der Kita war es sogar vielleicht ein Vorteil, „etwas anders“ zu sein – „die mögen das da gemixt“, sagt die Mutter.

    Alles super, alles easy, wir sind tolerant? Haben wir uns alle so gut an die „Pluralisierung der Lebensformen“ ab dem späten 20.Jahrhundert“, wie es Wikipedia so schön formuliert, gewöhnt?

    Auch die Familie von Felipe hielt immer fest zusammen – der gebürtige Kolumbianer, der für seine Promotion in den achtziger Jahren nach Deutschland kam, zog lange Jahre seine beiden Töchter alleine groß.

    „Normalität“ in Zahlen
    In Deutschland ist zur Zeit jeder fünfte Elternteil alleinerziehend – wenn auch nur in jeder zehnten Ein-Eltern-Familie der Väter die Hauptbetreuung übernommen hat. (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/leben/familien-studie-jeder-fuenfte-alleinerziehend-1.981502). Regenbogenfamilien sind da noch außergewöhnlicher: Circa 19.000 Kinder (Quelle: http://www.zeit.de/2011/09/Familie-Lesbische-Eltern) leben 2011 in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften – häufig aus einer ehemaligen heterosexuellen Beziehung „mitgebracht“: Kinder, die von den Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern adoptiert wurden oder mittels Samenspende in eine gleichgeschlechtliche Ehe geboren wurden, sind noch seltener.

    Formale Probleme

    Obwohl sie mit den beiden Zwillingsmädchen auffallen, kann Alexandra nur sehr selten von „schiefen Blicken“ oder ähnlichem berichten, wohnen sie doch alle in der Großstadt. Die Kinder der heterosexuellen Freundinnen fragen schon mal, finden aber die Erklärung „Die Babys haben zwei Mamas“ dann auch ganz normal. Probleme gibt es in ganz anderen Bereichen: Zum Beispiel die Auslandskrankenversicherung. Normalerweise sind Kinder in einem Haushalt bei einem Versicherungsnehmer automatisch mitversichert – aber ist das auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Nachwuchs so? Bei der Versicherung wusste man es nicht genau. Alexandra und ihre Frau mussten mehrfach nachfragen, bis das o.k. kam und die Reise nach Mallorca mit den Mädchen möglich war.

    Oder das leidige Thema Geld: Obwohl Alexandras Frau zur Zeit drei weitere Personen im Haushalt mitfinanziert, wird sie besteuert wie ein Single – und wie fast jede Familie könnten sie diese Extra-Euros gut gebrauchen. Außerdem läuft gerade das Adoptionsverfahren, in dem Alexandras Frau in der sogenannten Stiefkindadoption – also als nicht leibliche Mutter – die Mädchen adoptieren darf. So ein Verfahren darf man erst nach einem Jahr anstrengen, das ist Gesetz. „Und wenn mir in der Zwischenzeit etwas passiert“ – so die Bedenken Alexandras. Ja, was wäre dann? Würde eine Behörde die kleinen Kinder zu einem Mann geben, den sie kaum kennen? Übrigens wird sich die Steuerklasse der Haupt-Verdienerin auch nach der Adoption nicht ändern – nur den Kinderfreibetrag bekommt sie dann.

    Beruflich zurückgesteckt

    Allein als „Mama mit Bart“, wie er sich selbst bezeichnete, war Felipe mit seinen beiden Töchtern in den achtziger Jahren. Damals war es vielleicht gesellschaftlich noch schwieriger, ein ungewöhnliches Familienleben zu führen. Kontakte mit anderen Müttern waren schwierig, da diese ihn manchmal misstrauisch beäugten – hat der Mann seiner Frau die Kinder weggenommen? Manchmal verfolgten alleinerziehende Mütter auch ganz andere Absichten bei dem alleinerziehenden Vater als nur einen harmlosen „Kinderkontakt“. Felipe wollte darauf nicht eingehen und musste manchmal einen „diplomatischen Schlingerkurs“ verfolgen, um seinen Kindern weiter die Kontakte zu der einen oder anderen anderen Familie zu ermöglichen.

    Wie alle Alleinerziehenden musste er sich zwischen Kindern, Haushalt und Arbeit aufteilen. „Es gab viel Pizza“ so seine erwachsene Tochter heute lakonisch zum heimischen Herd von damals. Und wirklich findet man auch heute noch auf Webseiten für alleinerziehende Väter gerne mal ein Kochtipp oder Putztipps. Felipe jedenfalls – immer in leitender Position als Ingenieur bei einem großen Konzern – kann sehr genau einschätzen, dass er heute sicher eine besser gestellte und besser bezahlte Position im Unternehmen hätte, hätte er damals nicht immer auf die Uhr schauen müssen, um die Familientermine einzuhalten. Das konnten die Kollegen nicht verstehen, und es ist fraglich, ob dies heute anders wäre.

    Aber wenigstens konnte Felipe den Unterhalt seiner Familie finanzieren – darüber wären die rund 600.000 Mütter in Deutschland, die heute von Hartz IV leben müssen, sicher froh.

    Und die Kinder?
    Wie fühlen sich die Kinder, wenn sie „anders“ sind? Laut einer Studie über Regenbogenfamilien der Staatsintituts für Frühpädagogik in München und des Bayerischen Staatsintitust für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifp) finden sich keine Anzeichen für höhere „Verwundbarkeiten“ von Kindern aus Regenbogenfamilien. Häufig haben sie sogar ein stabileres Selbstwertgefühl als ihre Altersgenossen. Entscheidend für eine Entwicklung ist wohl nicht die sexuelle Orientierung der Eltern, sondern die Beziehungsqualität und das Klima der Familie – so die Autoren der Studie. Das trifft sicher auch auf andere Familienkonstellationen zu.

    Fazit

    Gesellschaftlich sind wir tolerant – vielleicht nicht überall und nicht überall gleich, aber meist lassen wir Familien leben, wie sie leben wollen. Formal hapert es oft noch – Behörden können manchmal mit Situationen nicht umgehen, die aus dem Rahmen fallen, Gesetze und Verordnungen hinken zum Teil der realen Welt hinterher. Schlimm war es und ist es noch immer beim Thema Kinder in der Arbeitswelt. Doch die demographische Entwicklung der nächsten Jahre wird sicher Dinge ändern und als Katalysator wirken. Trauriges Fazit auch: Die Lebensleistungen, die erbracht wurden und werden, um Kinder groß zu ziehen – allein, mit zwei Frauen oder als Paar unter manchmal schwierigen Bedingungen – werden oft nicht honoriert. Nicht gesellschaftlich und schon gar nicht finanziell.

    Staatliche Institutionen wissen es schon, denn die Experten des siebten Familienberichtes des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend haben es ihnen schon 2006 sehr schön formuliert gesagt:Die Zukunft von Familie als Lebensform, ob nun gesetzlich formalisiert oder nicht, dürfte also nicht unerheblich davon abhängen, ob sie als Gewinn und wechselseitige Unterstützung für ihre Mitglieder gesehen und gelebt werden kann, oder ob sie sich an gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reibt, die den Entschluss zur Familiengründung und die alltägliche Lebensführung eher erschweren denn erleichtern.

    Quelle: Siebter Familienbericht: http://www.bmfsfj.de/doku/familienbericht/haupt.html

    Weiterführende Links Alleinerziehende

    http://www.die-alleinerziehenden.de

    http://www.vamv.de/

    Weiterführende Links Regenbogenfamilien

    http://www.eltern.de/foren/regenbogenfamilien/

    * Namen sind der Redaktion bekannt

    Foto: Deutsche Bundespost 1994, gemeinfreie Verwendung

    Schlagwörter:

    Ein Gedanke zu „Mama, Mama, Kind – über den Alltag, kein normales Familienmodell zu leben“

    1. Pingback: Ein Lob den Alleinerziehenden - Familothek

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert