Der Maskierte Rächer. Liam ist zwölf und einerseits ein ganz normaler Junge, aber andererseits ist er auch der maskierte Rächer, der ganz sicher eines Tages die Welt retten wird.
Liam glaubt an Energie, sie ist allgegenwärtig und nur er weiß, dass bestimmte Edelsteine und Mineralien eine geheime und hochkonzentrierte Energie besitzen. Deswegen trägt er einen Ledergurt, an dem einige Steine befestigt sind, zum Beispiel vier Amethystsplitter für Treue und Ehrlichkeit, ein kleiner Granitklumpen für Entschlossenheit und noch einige andere.
Bevor es dazu kommt, dass er die Welt retten muss, patrouilliert er fast jeden Abend in seiner Straße. Jeden Abend geht leider nicht, das würde seiner Mutter auffallen. Um trotzdem jede Gefahr mitzubekommen, verteilt er Magnetometer. Er selbst trägt er einen Magneten in der Tasche und ein merkwürdiges heißes Summen am Oberschenkel würde ihn sofort auf eine Gefahr aufmerksam machen.
Besonders Sorge macht Liam eine Frau am anderen Ende der Straße, dort ist etwas nicht in Ordnung. Er weiß noch nicht was, aber er hat ihr, vorsichtshalber zwei Magnete vor die Tür gelegt. Liam kommt tatsächlich in Kontakt mit der Frau und beschließt, ihr zu helfen, natürlich mit einem besonderen Stein. Er gibt ihr das Bernsteinamulett seiner Mutter.
Als er drei Tage später von der Schule nach Hause kommt findet er seine Mutter völlig aufgelöst zu Hause: Sie kann die wertvolle Bernsteinbrosche ihrer Großmutter nicht finden. Nun ist er in einem großen Konflikt. Loyalität ist für den maskierten Rächer eine wichtige Eigenschaft. Soll er die Brosche zurückholen und damit die Frau wieder ihrem Unglück preisgeben und sich selbst als einen Dieb hinstellen? Oder soll er seine Mutter anlügen, damit die Frau weiter unter dem Schutz des maskierten Rächers ist? Wie so oft im Leben braucht es etwas Zeit und die Dinge entwickeln sich unerwartet. Es gibt nicht nur diese zwei Möglichkeiten, sondern noch mehr. Und es ist nicht immer die Entscheidung zwischen Entweder und Oder, die getroffen werden muss.
Craig Silvey, der schon mit seinen Roman „Wer hat Angst vor Jasper Jones“ hier vorgestellt wurde hat ein wunderbares Buch geschrieben. Liam und das Amulett begeistert nicht ganz so wie Jasper Jones, es ist aber auch eine viel weniger spektakuläre Handlung, schließlich gibt es keine Leiche. Dennoch trifft Craig Silvey mit seiner Sprache die Welt der Jugendlichen, ohne dabei künstlich zu wirken. Die Realität von Liam ist so, wie sie ist. Das wird durch die Sprache von Silvey auch vom Leser so hingenommen.
Liam und das Amulett ist mit knapp 90 Seiten ein kleines Büchlein. Einige Bilder und handschriftliche Briefe lockern den Text auf, so dass es durchaus auch etwas ist für Menschen, die sonst nicht so begeisterte Leser oder Leserinnen sind.
Mit der zweiten Übersetzung ist Craig Silvey in der deutschen Jugendliteraturszene angekommen und man kann nur hoffen, dass auch sein Erstlingswerk „Rhubarb“, das er bereits mit 19 Jahren schrieb, bald ins Deutsche übersetzt wird.
Liam und das Amulett, Craig Silvey, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2014, ISBN 978-3-499-21688-6, empfohlen für 10 bis 12 Jahre (12,99 Euro).