Schneewittchen, Frau Holle, Rotkäppchen… wie zeitgemäß sind Märchen heute?
Wenn in den Radionachrichten von Grausamkeiten die Rede ist, schalten Eltern um, wenn ihre Kinder dabei sind. Und niemand käme auf die Idee, den Nachwuchs unter zehn in neueste Horrorstreifen zu schleppen. Aber gleichzeitig sollen wir ihnen Geschichten von Hexen im brennenden Ofen, abgehackten Fersen und ausgestochenen Augen vorlesen?
Trotzdem – viele Kinder lieben Märchen Die klare Aufteilung in gut und böse und die recht einfache Struktur machen sie kindgerecht. Märchen bieten Orientierung in der kindlichen Welt: Gut und böse ist sehr klar verteilt und meistens gewinnt das und der Gute.
Aber: Werden mit den Märchen nicht auch die antiquierten Vorstellungen des Mittelalters an unsere Kinder vermittelt? Schöne Königstöchter werden prinzipiell als Gewinn an Märchenhelden vergeben, grausame Strafen für Vergehen (teeren, federn und so weiter) sind an der Tagesordnung.
Davon abgesehen: In vielen alten Geschichten und Fabeln steckt eine Menge Lebensklugheit. Da ist der kleine Held schwach und wird unterschätzt, kommt aber mit Witz und Intelligenz zum Ziel (Sieben auf einen Streich / Däumeling). Stellvertretend durchleben unsere Kinder mit Märchen Konflikte – in einer fantastischen Welt und deshalb wie im Spiel für sie. Märchen regen die Fantasie an, und auch dies ist eine schöne Wirkung. Und gerade die überlieferten alten Märchen aus dem deutschsprachigen Raum bieten den allerersten Zugang zu unserer Kultur.
Also dann doch Märchen – aber wie und wann?
Zuerst einmal: Nicht jedes Märchen ist für jedes Kind in jedem Alter geeignet. Wer ein schreckhaftes Kind mit eher zu viel Fantasie hat, sollte vielleicht nicht schon der Dreijährigen „Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen“ vorlesen. Also lieber vorsichtig anfangen und immer beobachten, wann es genug ist. Und Märchen erst einmal vorlesen, bevor man die CD oder gar DVD einlegt. Das Vorlesen hat den Vorteil, dass Eltern ihren Kindern ungewohnte Situationen erklären können: Dass man heute solche grausamen Strafen in unserem Land nicht mehr verhängt; dass früher die Mädchen eben nicht gefragt wurden, wen sie heiraten wollten, sie heute selbst entscheiden, und so weiter. So nähern sich Große und Kleine gemeinsam Schritt für Schritt der wunderbaren, fantastischen und vielseitigen Welt der Märchen.
Hier eine Sammlung der besten Märchenlinks im Internet
- Hier kann man nicht nur Märchen kostenlos im Internet lesen, sondern sich sogar als Newsletter per E-Mail zusenden lassen: http://www.internet-maerchen.de/
- Diese private Homepage bietet neben vielen verschiedenen klassischen Autoren auch eigene Märchen, sowie antike Sagen und antike Autoren, ethnische Märchen und sogar englischsprachige Elemente. http://www.maerchen.net/ Die Aufmachung der Webseite ist Geschmackssache, aber als Märchenfundus unendlich vielseitig.
- Auch bei Spiegel Online kann man beim Gutenberg-Projekt Klassische Literatur online lesen – darunter natürlich Märchen, Geschichten, Fabeln. Zum Beispiel alle Märchen von Hans Christian Andersen, kostenlos: http://gutenberg.spiegel.de/
- Auf dieser Seite kann man Grimms Märchen in verschiedenen Sprachen lesen und als Hörbuch anhören: http://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/index
- Wer die Kurzfassungen lesen will, um sich schöne Märchen auszusuchen: http://www.maerchen-archiv.de/
Koreanische Märchen (Aktualisierung vom 20.7.2020)
Koreanische Märchen kann sich der internationale Märchenfan jetzt auf der Webseite des Koreanischen Kulturzentrums vorlesen lassen von der Märchenerzählerin, Theaterpädagogin und Schauspielerin Soogi Kang.
Anklicken, ein bisschen Scrollen.Reiter „Märchenecke“ aufmachen und genießen. Neue Märchen gibt es regelmäßig, immer mal vorbeischauen.Viel Spaß!
Bild von Evgeni Tcherkasski auf Pixabay